Öffnet die Verwaltung für Studierendenjobs!

| 13:18 Uhr

Diese Erfahrung werden viele gemacht haben: Während meines Studiums habe ich nebenbei bei Lokalzeitungen gearbeitet. Diese Arbeit bot mir ein kontinuierliches Zubrot zu meinem Bafög, festigte meinen journalistischen Stil, gab mir erste Berufserfahrung und Einblicke in die Verlage und Zeitungen bei denen ich arbeitete und in die Branche insgesamt.

Viele meiner Kommilitonen und Kommilitoninnen haben es ähnlich gemacht: Besonders begehrt waren Werkstudenten-Plätze bei großen Industrieunternehmen (wie z.B. Bosch). Dort hat es ausgereicht, die Semesterferien durchzuarbeiten, um genug Geld für das nächste Semester zu verdienen. Der Hinzuverdienst im Studium ist zumeist vom Kindergeld (nicht mehr als 20-Stunden die Woche) oder BaföG (insgesamt 5.400 Euro) begrenzt.

Unternehmen wie Bosch, Bayer, SAP u.a. werben ganz gezielt für Studentenjobs. Bosch bietet vielfältige Möglichkeiten an: Praktika, Werksstudent, Themen für Abschlussarbeiten, spezielle studienbegleitende Karriereprogramme für Studenten bis hin zu einem PreMaster-Programm mit persönlichem Mentor (https://www.bosch.de/karriere/starten-sie-ihre-karriere/studenten/). Dabei steht Bosch hier nur exemplarisch, viele Unternehmen bietet ähnliches an.

Sicher sind Studenten für Unternehmen auch „billige“ und gut ausgebildete Arbeitskräfte, bei denen keine Sozialversicherungspflicht besteht. Das ist aber nicht der entscheidende Grund, warum sich Firmen für Studenten ins Zeug legen. Vielmehr kommt es auf die frühzeitige Bindung von jungen, gut ausgebildeten Nachwuchskräften an. Zudem festigen, bei gutem Umgang mit den Studenten, auch ihre Arbeitgebermarke in dieser hochinteressanten Zielgruppe. Die Studentinnen und Studenten empfehlen ihren Arbeitgeber schließlich weiter – und viele träumen nach dem Studium von einer Festanstellung bei einem dieser Unternehmen.

Aber auch bei den Firmen selbst hinterlassen die Studenten Eindruck: Durch den permanenten Austausch mit jungen Nachwuchskräften bleibt die Arbeitskultur dynamisch. Die Studenten bringen neue Ideen und Impulse mit in den Betrieb, die Festangestellten „gären“ nicht im eigenen Saft. Ist der Aufgabenbereich und die Einbindung ins Unternehmen gut organisiert, verbessert sich durch das Engagement der Studenten auch das Arbeitsklima. Zudem wird auch ein Wissenstransfer von der Hochschule in die Firma hinein organisiert – ein gutes Klima für Innovationen. Und: Die Firmen bekommen bereits während des Studiums einen Eindruck von den Studenten, und wissen dadurch, wem sie eine Festanstellung anbieten und wem lieber nicht.

Zusammengefasst: Studenten zu beschäftigen bietet für Unternehmen,

  • einen guten Nachwuchskanal,
  • eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität und Verbreitung der Arbeitgebermarke,
  • eine flexible Reaktion auf Arbeitsspitzen,
  • eine dynamische, diverse und innovative Arbeitskultur,
  • einen Wissenstransfer von der Hochschule zum Betrieb,
  • Einblicke in die persönliche Arbeitsleistung und -einstellung potentieller Bewerber.

 

Und die Verwaltung?

Welche Jobs gibt es für Studenten im Öffentlichen Dienst? Keine! Es mag sein, dass öffentliche Unternehmen wie Stadtwerke oder Verkehrsbetriebe Aufgaben für Werkstudenten ausschreiben, aber die Kommunal-, Landes- und Bundesverwaltungen bieten schlicht: nichts.

Dabei gibt es keine systemischen Gründe, die dagegensprechen. Zwar ist der öffentliche Dienst ein besonderer Arbeitgeber: er wahrt die öffentliche Ordnung, verarbeitet vertrauensvoll persönliche Daten der Bürger, die nicht von jedem eingesehen werden sollen und trifft verbindliche Entscheidungen. Zudem gibt es viele Bereiche, z.B. Antragsbearbeitung, die nicht besonders reizvoll für Studenten sind. Aber es muss ja auch nicht gleich ein Studentenjob bei Polizei, JVA im Ordnungsamt oder bei der Prüfung von Hartz IV-Anträgen sein.

 

Viele attraktive Berufsfelder im Öffentlichen Dienst

Die öffentliche Verwaltung bietet aber noch viel mehr. In einer mittelgroßen Stadt gibt es rund 250 Berufsfelder, mit attraktiven Aufgaben. Wie wäre es beispielsweise mit Stadt- und Verkehrsplanung (Ingenieurstudium), Umweltämter (Biologie, Chemie), Sozialämter (Sozialarbeit, Sozialpädagogen), Kataster- und Vermessungsämter (Geodäsie, Geoinformation), Personalämter (BWL / Personal), Statistikämter (BWL/VWL/Statistik),  Wirtschaftsförderung (Marketing), Kulturämter (Kultur- und Geisteswissenschaften), natürlich die vielfältigen IT-Aufgaben, z.B. bei IT-Dienstleistungszentren und IT-Abteilungen in Bundes-, Landes- und Kommunalämtern (alle Formen der Informatik) und auf der Leitungsebene (Politik- und Verwaltungswissenschaft, Public Management).

 

Duales Studium und Praktika – attraktiv, aber nicht vergleichbar mit Studentenjobs

Durchaus attraktiv, viel angeboten und auch viel genutzt wird das Dualen Studium im Öffentlichen Dienst – also Beschäftigung im Amt mit parallelen Studium, meist an Verwaltungsfachhochschulen. Ganze Berufszweige im Öffentlichen Dienst werden so ausgebildet, z.B. Diplom-Finanzwirt/in für die Steuerverwaltung / Finanzämter (exemplarisch hier das Angebot der Brandenburger Finanzverwaltung: http://steuer-deine-zukunft.de/de/willkommen/). Das ist ein attraktiver Berufseinstieg in den öffentlichen Dienst, Vergütung schon während des Studiums und zumeist mit anschließender Beschäftigungsgarantie.

Aber das Duale Studium bietet nicht die Vorteile von Studentenjobs für die Verwaltungen, die ich oben aufgelistet habe. Sie öffnen den Öffentlichen Dienst nicht für dynamische und innovative Impulse und bieten nur einen geringen Wissenstransfer, weil Verwaltungshochschulen oftmals Teil des geschlossenen Systems „Verwaltung“ sind und weniger Teil des offenen Systems der allgemeinen Universitäts- und Hochschullandschaft. Das Duale Studium hat auch wenige Vorteile für die Verbreitung der Arbeitgebermarke, da die Studenten hier größtenteils unter sich bleiben, die Kommilitonen arbeiten auch bereits alle in der Verwaltung. Es erhöht auch nicht die Flexibilität der Verwaltungen, weil oftmals schon von Beginn an, bei guten Leistungen, eine Festanstellung in Aussicht gestellt wird. All das, soll kein Plädoyer gegen das Duale Studium sein: Es ist wichtig und sinnvoll, für die speziellen Aufgaben der Verwaltung und zudem ein attraktives Angebot! Ich möchte nur sagen: Das reicht nicht aus, schafft auch Studentenjobs!

Noch ein Absatz zu Praktika im Öffentlichen Dienst: Diese Möglichkeit gibt es für Schüler und Studenten und immer mehr Verwaltungen bieten diese Möglichkeit auch offensiv an (exemplarisch hier das schön aufbereitete Angebot der Stadt Osnabrück: http://www.bei-der-stadt.de/praktika/fuer-studierende.html). Jedoch: Praktika im Öffentlichen Dienst sind grundsätzlich nicht entlohnt und somit nicht ernsthaft vergleichbar mit Studentenjobs.

 

Hohe Befristungen im Öffentlichen Dienst

Und jetzt kommt es: Der Öffentliche Dienst leidet ganz offensichtlich an dieser vollkommenen Missachtung von Studentenjobs und macht sich dadurch noch auf einer anderen Ebene für Nachwuchskräfte unattraktiv! Der Öffentliche Dienst stellt befristet ein: „Während im öffentlichen Dienst im ersten Halbjahr 2014 knapp 60 Prozent aller Einstellungen befristet erfolgten, waren es in der Privatwirtschaft im gleichen Zeitraum 40 Prozent“, schreiben Christian Hohendanner, Philipp Ramos Lobato und Esther Ostmeier in einem IAB-Kurzbericht von 2016 (pdf). Die Verwaltungen leiden also offensichtlich unter der Situation, nicht vorher zu wissen, wen sie einstellen und versuchen, über befristete Einstellungen dieser Situation Herr zu werden. Ganz nebenbei schadet dieses vermeidbare Ausweichmanöver wiederrum der Arbeitgeberattraktivität.

 

Thema für die kommenden Tarifverhandlungen

Im Februar/März 2018 starten die Tarifverhandlungen für Beschäftigte in Bund und Kommunen. Das wäre die richtige Runde, um die Weichen für Studentenjobs im Öffentlichen Dienst zu stellen. Beide Seiten haben etwas davon: die öffentlichen Arbeitgeber stärken ihre Arbeitgebermarke, unternehmen einen ersten Schritt hin zu einem notwendigen Wandel der Arbeitskultur (man denke nur an die Herausforderungen durch die Digitalisierung!) und wissen zudem noch vorher, wen sie einstellen. Die Arbeitnehmervertretungen haben endlich ein Argument an der Hand, um die hohen Befristungen im Öffentlichen Dienst einzudämmen. Also: Worauf noch warten?

 

Carsten Köppl, Gründer und Geschäftsführer der Beratungsagentur Next:Public
carsten.koeppl@nextpublic.de