Kann Verwaltung New Work? Ein Denkanstoß

| 9:12 Uhr

New Work war neben Agilität das Trendthema der Personalerszene im Jahr 2019. Der Eindruck ist, dass Unternehmen, die sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen, an der digitalen Transformation und den zunehmenden Fachkräftemangel scheitern.  Auch an der Verwaltung geht der Trend zur Agilität nicht vorbei: Um weiterhin als attraktiver Arbeitgeber zu gelten, muss die Verwaltung mehr Eigenverantwortung, Selbstständigkeit und Teamarbeit zulassen, zeigte unser Nachwuchsbarometer Öffentlicher Dienst 2019. Aber wie kann die Verwaltung mit diesem Thema umgehen?

Was bedeutet eigentlich New Work?

Bricht man New Work auf seine grundsätzliche Bedeutung und seine Gründungsgeschichte Ende der 70er Jahre durch Frithjof Bergmann herunter, versteht sich der Ansatz als Rahmen für eine Weiterentwicklung des Arbeitsalltags für Organisationen und Mitarbeitende. Im Fokus stehen dabei Teilaspekte wie Flexibilität, Agilität, Sinnstiftung, Führungskultur, Individualität oder neue Bürokonzepte. Die „Neue Arbeit“ soll dabei einen echten Mehrwert für alle Beteiligten schaffen, Freude bereiten und so mehr sein als nur Produktivitätselement. Doch funktioniert dieser Ansatz auch in der oftmals als steif geltenden Verwaltung? Oder anders gefragt: Kann Verwaltung New Work?

Ruft man sich das grundlegende Modell einer professionellen Verwaltung nach Max Weber ins Gedächtnis, sieht man sich einer Behörde gegenüber, die von professionellen Mitarbeitenden, die sich an das Gesetz halten und nach klar definierten Aufgaben handeln, geprägt ist. Eine Arbeitsteilung zwischen den Abteilungen, sowie eine Amtshierarchie und eine Aktenmäßigkeit bestimmen den Arbeitsalltag. Eine Vorstellung, die zunächst wenig Spielraum für kreative und agile Ansätze vermuten lässt. Wie kann also eine Verwaltung nach einem New Work-Konzept aussehen?

Wie verändert New Work den Arbeitsalltag?

Um diese Frage zu beantworten lohnt sich nochmals ein tiefgründigerer Blick in das Konzept New Work. New Work beschreibt im Wesentlichen die Befähigung der Mitarbeitenden zu einem selbstbestimmten Arbeitsverhalten, das sich durch ein Maximum an Individualität und Freiheit kennzeichnet. Doch nicht nur die Mitarbeitenden sollen zu einer Verhaltensänderung befähigt werden, auch die Organisation selbst verändert ihre Arbeitsabläufe. Die Zusammenarbeit wird agiler und anfallende Aufgaben werden nicht mehr nur streng nach Abteilungen getrennt, sondern in Projekten abteilungsübergreifend bearbeitet. Teams finden sich immer wieder neu zusammen, um Lösungen zu bearbeiten. Scheitern wird nicht als mangelnde Problemlösungsfähigkeit verstanden, sondern als Erkenntnisgewinn, um zukünftige Aufgaben besser zu bearbeiten.

Mit dem New Work Konzept geht auch eine Kulturänderung einher. Hierarchieebenen werden nicht mehr als starre Stufen verstanden, sondern als Führungsebenen, die sich den Mitarbeitenden annehmen und ihre Individualität begreifen, um so das größtmögliche Potential aller Arbeitnehmer*innen zu wecken. Um die Selbstbestimmtheit der Mitarbeitenden zu wecken bedarf es einer Organisationskultur, die einer Vision und Werten unterliegt und aktiv von den Führungskräften gelebt wird. Den Arbeitnehmer*innen muss Vertrauen gewährt und Freiräume eingerichtet werden, nur so lässt sich das Konzept auch in den Arbeitsalltag übertragen.

Verwaltung und New Work, wie passt das zusammen?

Betrachten wir aus diesem Blickwinkel nochmals die vorangegangene Frage, ob Verwaltung New Work kann, lässt sich kurz und knapp antworten: jain. Eine wenig befriedigende Antwort, die jedoch sehr treffend den Status Quo beschreibt. Niklas Luhmann lieferte in den 1980er Jahren die wissenschaftliche Erkenntnis, dass große komplexe Organisationen kaum Veränderungen zulassen. Betrachten wir Behörden und Verwaltungseinheiten, haben wir es hier oftmals mit sehr großen sozialen Systemen zu tun, die von einer geringen Anzahl an Personen geführt werden und per sé wenig Interesse daran haben Kontrolle abzugeben. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch durch eine Vielzahl an Gründen (durch die Politik, technische Änderungen und neuen Anforderungen an Verwaltungen und nicht zuletzt einem zunehmenden Fachkräftemangel) ein Veränderungsdruck aufgebaut, der vielerorts Verwaltungen mit neuen Arbeitsformen experimentieren lässt.

So haben sich in den vergangenen zwei Jahren verstärkt Experimentierräume in (oder zumindest gefördert durch) Ministerien und größeren Landes- und Kreisverwaltungen gebildet, in welchen agile Arbeitsmethoden erprobt werden oder durch welche Prozesse angestoßen werden, die auf Veränderung und Kulturwandel hinarbeiten. Als Beispiele lassen sich Tech4Germany, das Digital Innovation Team oder iRightsLab nennen. Aber auch die Einführung von neuen Softwareanwendungen oder einem Behördenmessenger wie bspw. im Bundeskanzleramt sind Schritte in die richtige Richtung. Doch hier endet das positiv besetzte Narrativ der Transformation hin zu New Work in der Verwaltung.

In den meisten Fällen bleibt es bei Experimentierräumen, deren Ergebnisse nicht in die breite Praxis überführt werden. Vielmehr sind es zu marketingzwecken stilisierte Versuchsräume, deren Bedeutung für die tatsächliche Praxis weiterhin verkannt wird. Arbeitsräume, die noch viel zu oft nur durch die schützende Hand von Schirmherren und -frauen existieren und nicht in den Arbeitsalltag übertragen werden. Spricht man mit den Verwaltungsmitarbeiter*innen, die in Kontakt mit diesen neuen Arbeitsformaten kommen, zeigt sich eine Begeisterung für die neue Art und Weise zu arbeiten. Diese Begeisterung gilt es bei allen Mitarbeitenden zu wecken und ganz bewusst New Work in die Verwaltungskultur einfließen zu lassen.  Für die Führungsebene bedeutet dies, dass die Mitarbeiter*innen der Verwaltung in denen für sie engen Leitlinien dazu ermächtigt werden, selbstbestimmt nach Lösungen zu suchen. Kreative Impulse umsetzen zu können, zu scheitern und daraus wichtige Erkenntnisse für einen Fortschritt erzielen. Dabei steht die Bearbeitung von Routinetätigkeiten diesem Konzept nicht entgegen, sondern fügt sich nahtlos in das Konzept von New Work ein. Denn New Work will nicht alles hinterfragen und verändern, New Work will nur Möglichkeiten schaffen, damit selbstbestimmtes Arbeiten möglich und nicht per sé ausgeschlossen wird. Insofern lässt sich den Kritikern entgegnen, dass der Selbstbestimmungsgedanke des New Work-Konzeptes einem vorausschaubaren und rechtssicheren Handeln nicht entgegensteht.

Eine Transformation der Verwaltung hin zu neuen Arbeitskonzepten ist möglich, aber es bleibt ein langer Weg. Mit den eingeführten Experimentierräumen ist ein erster Schritt getan, der nun verstetigt und in die Organisationen übertragen werden muss. Von diesen Leuchttürmen ausgehend müssen wiederum Botschafter in Nachbargemeinden, Behörden und Verwaltungen ziehen und für ihre Konzepte werben. Behörden, die für neue Ideen und Denkweisen offen sind, werden auf dem Arbeitsmarkt erfolgreicher sein als andere. Auch wenn Verwaltungen Wettbewerb so gut wie fremd ist, verändert sich dies durch den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt – hier werden nur die Behörden das beste Personal für sich gewinnen können, die sich dem New Work-Konzept annehmen. Diese Verwaltungen werden wiederrum bessere Dienstleistungen für Unternehmen und Bürger erbringen können. So kann New Work zu einem echten Impulsgeber für die Verwaltung werden, ihren grauen Schleier heben und für neues Leben sorgen.

 

Michael Fulde, Junior-Berater für Digitalisierung, Kulturwandel und New Work der Beratungsagentur Next:Public
michael.fulde@nextpublic.de