Bereits seit 2019 rückt die Plattform TikTok immer mehr in den Fokus aktueller Marketingstrategien. Diese Chance lassen auch öffentliche Einrichtungen in Deutschland nicht unbeachtet. Weg von passiver Medienpräsenz und Informationsvermittlung – hin zu zielgruppenspezifischer Ansprache und Unterhaltung lautet die Devise. Wir haben uns bestehende Behördenauftritte auf TikTok näher angeschaut und konnten feststellen, dass sich eine zeitgemäße mediale Präsenz und eine aktive Pflege der Social-Media-Kanäle auszahlen. Ob Stadtverwaltung, Polizei oder Theater – sie alle bieten Mitarbeiter:innen, Auszubildenden und Interessierten in innovativen Kurzvideos einen authentischen Einblick in den Arbeitsalltag und zeigen: Arbeit in öffentlichen Einrichtungen ist alles andere als langweilig!
Doch was ist eigentlich TikTok?
TikTok ist eine seit 2018 weltweit zugängliche Video-Plattform, welche als Nachfolger für die Plattform musical.ly (eine Plattform für Videos, in denen vor allem Jugendliche per Lippensynchronisation zu Musik tanzen) entwickelt wurde und zusätzliche Funktionen eines sozialen Netzwerks aufzeigt. Nach kostenloser Registrierung dient eine Flut von meist musikalisch unterlegten Kurzvideos als Unterhaltungsquelle. Mit weltweit circa eine Milliarde aktiven Nutzer:innen stellt die bereits über drei Milliarden Mal heruntergeladene App, ihren Nutzer:innen einen hochgradig personalisierten Feed, aktuelle Trends, sowie neuste lokale Informationen zur Verfügung. Von humorvollen Unterhaltungsvideos oder Challenges über Tutorials und Reisetipps hin zu Hobbys, Essen und Sport. Kaum ein Themenbereich bleibt unberücksichtigt. Trotz dessen sollte auch dieses Medium mit Vorsicht genossen werden. Nicht ohne Grund ist Kindern und Jugendlichen in Deutschland unter 13 Jahren der Download der App rechtlich untersagt. Die gesammelten Daten der Plattform können ungesichert von mehreren Parteien eingesehen werden und auch der präzise und Teils in Kritik geratene Algorithmus beeinflusst z.B. Kinder und Jugendliche bei Kaufentscheidungen oder ermöglicht freien Zugang zu ungefilterten Videoinhalten.
Das Geheimrezept unserer Favoriten
Anders als bei anderen sozialen Medien geht es bei TikTok überwiegend um das Erstellen von Kurzvideos, weshalb von Seiten der Behörden Kreativität gefordert wird. Besonders die Stadtverwaltung Heidenheim, die Polizei München und die Polizei Berlin stellen durch ein einheitliches Erscheinungsbild, kombiniert mit informativen und unterhaltsamen Beiträgen, Vorbilder für viele weitere öffentliche Einrichtungen dar. Den Erfolg von bis zu über 400.000 Followern und 5,4 Millionen Likes („Gefällt-mir“- Angaben) verdanken diese Einrichtungen jedoch nicht nur ihrer sympathischen Frontperson, ihrem familiären Teamgefühl oder einer kreativen Gruppe junger Auszubildenden.
Die weiteren Zutaten ihres Geheimrezepts unterscheiden sich je nach Einrichtung. Während sich die genannten Polizeibehörden deutlich stärker auf authentische Inhalte und wichtige Aufklärungsarbeit beschränken, hebt sich die Stadtverwaltung Heidenheim beispielsweise durch Tanzeinlagen, Lipsync-Trends und humoristisch aufgearbeiteter Widerlegung von stereotypischen Annahmen über Behördenarbeit hervor. Ein erfolgreicher Behörden-Account ist daher alles andere als angestaubt, sondern erfordert eine individuelle und strategische Gestaltung durch die jeweilige Organisation. Das haben auch bisher eher unauffälligere Einrichtungen wie der Deutsche Rentenversicherung Bund, die Stadtverwaltung Traunreut, die Bezirksverwaltung Bezirk Oberbayern und auch das Theaterhaus Stuttgart erfolgreich umgesetzt. Auch Sie begeisterten in unserer Recherche mit informativen und selbstironischen Beiträgen. Obwohl noch nicht an allen Stellen das gesamte Potential ausgeschöpft wird, zeigen die Verantwortlichen, dass auch kleinere Einrichtungen großer Aufmerksamkeit gerecht werden können. Generell gilt: Ein authentischer Einblick in den Arbeitsalltag, zielgerichtetes und modernes Stakeholdermanagement und eine gesunde Prise Humor sind die Grundpfeiler einer erfolgreichen Behörden-TikTok- Karriere.
Nachhaltige Synergien – wie zeitgemäßes Personalmarketing die Arbeitgeberattraktivität steigert
Auffällig ist, dass deutsche Behörden mit regelmäßigen Posts auf TikTok bisher nur in einem geringeren Umfang vertreten sind, obwohl TikTok eine besonders einfache und moderne Gelegenheit darstellt, sich auf dem Arbeitsmarkt neu zu positionieren. Ob und wie diese Chance genutzt wird, liegt allerdings in der Hand der Behörden selbst. Durch eine aktive digitale Präsenz auf Plattformen wie TikTok können öffentliche Organisationen nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung agiler gestalten und ihre Markenidentität stärken, sondern vor allem einer der größten Herausforderungen unserer Zukunft entgegenwirken – der durch den demografischen Wandel bedingte Fachkräftemangel öffentlicher Verwaltungen. Da in den nächsten zehn Jahren rund 1,2 Millionen Mitarbeitende aus öffentlichen Verwaltungen ausscheiden werden, gilt es die Gruppe der 14-29-Jährigen aktiv als potenzielle Bewerber:innen, Mitarbeiter:innen und Auszubildende anzusprechen. Denn wie das Nachwuchsbarometer Öffentlicher Dienst 2019 der Next:Public zeigt, steht die Gemeinwohlorientierung, Arbeitsplatzsicherheit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine agile Arbeitsweise weit oben auf der Prioritätenliste der anzusprechenden Zielgruppe – allesamt Aspekte, die der Öffentliche Dienst bieten kann. Der ARD/ZDF Onlinestudie 2021 zufolge, erreichen Videoinhalte immer mehr Menschen. Rund 70 Prozent der Zielgruppe der 14–29-Jährigen schauen an einem normalen Tag Videos im Internet an. Während etabliertere Plattformen wie beispielsweise Facebook (55%) und Instagram (28%) als Marketingkanäle für Unternehmen immer weniger interessant werden, spielt TikTok als vergleichsweise junge Plattform mit einer täglichen Nutzung von 19% der unter 30-Jährigen eine immer wichtigere Rolle.
Dem Öffentlichen Dienst wird durch eine wachsende Social Media Landschaft eine Möglichkeit gegeben schnell und einfach in Kontakt mit potenziellen Nachwuchskräften zu kommen. Eine Orientierung an den aktuell meistgenutzten Social-Media-Kanälen kann viel Arbeit ersparen und durch kreativen und strategischen Einsatz einen großen Mehrwert für das (Eigen-)Marketing und die Personalrekrutierung bieten. Gleichzeitig kann durch die Einbindung der eigenen Mitarbeiter:innen die Arbeitgeber:innenmarke von innen heraus gestärkt werden. Potentielle Bewerber:innen erhalten so ein authentisches Bild ihres Arbeitgebers. Der Öffentliche Dienst sollte an dieser Stelle Mut beweisen und auf die Fähigkeiten seiner eigenen Mitarbeiter:innen zurückgreifen. In den meisten Fällen schlummert in den Behörden die auf den Social-Media-Kanälen geforderte Kreativität und das technische Know-how. TikTok bietet der Verwaltung die Chance sich als progressiver und attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und neue Zielgruppen zu erschließen. Auch wenn der Aufbau und die Pflege eines Accounts Ressourcen kostet, ist es dennoch eine nicht zu vernachlässigende Option, die in der Rekrutierung berücksichtigt werden sollte. Ein Versuch ist es allemal wert!